Studie der Deutschen BKK weist Kostenreduktion und Qualitätsverbesserung nach
B. Homberg*, H. Korb** * Medizin-Service – Institut für strategisches Marketing & Kommunikation im Gesundheitswesen, Wesel **Vitaphone GmbH, Mannheim
Die Deutsche BKK, Deutschlands größte Betriebskrankenkasse, wird ihren Versicherten bei Herzerkrankungen bundesweit in Zukunft verstärkt telemedizinische Diagnostik in ausgewählten Zentren anbieten. Zu diesem Zweck werden bundesweit Kardiologen in Klinik und Praxis als Partner gesucht. Das ist das Ergebnis eines dreijährigen Modellversuchs am Klinikum der Stadt Wolfsburg. Er hat gezeigt, dass telemedizinisches EKG-Monitoring die Diagnostik von Herzrhythmusstörungen deutlich verbessert und effizienter gestaltet. Zudem werden unnötige Krankenhauseinweisungen sowie stationäre Aufenthalte zur Diagnostik vermieden. Das Klinikum Wolfsburg setzt auf die Tele-EKG-Systeme des Mannheimer Telemedizin-Providers Vitaphone GmbH und wird aufgrund der hervorragenden Ergebnisse des Modellversuchs den Bestand an Geräten deutlich erweitern.
Herzrhythmusstörungen sind ein weltweit zunehmendes Problem, dessen Ursache einerseits die zunehmende Lebenserwartung in Verbindung mit den Zivilisationskrankheiten und andererseits die deutlich verbesserte Überlebensprognose schwerer kardialer Erkrankungen ist. Allein unter Vorhofflimmern leiden nach Schätzung von Experten weltweit mindestens 5,5 Millionen Menschen. Vorhofflimmern ist daher die häufigste Herzrhythmusstörung in der kardiologischen Praxis. Patienten mit Vorhofflimmern haben ein fünffach erhöhtes Risiko einen Schlaganfall zu erleiden – mit den bekannten individuellen und volkswirtschaftlichen Folgen. Zu den mit Vorhofflimmern assoziierten Erkrankungen zählen die Herzinsuffizienz sowie der plötzliche Herztod, der für bis zu 20 Prozent aller kardialen Todesfälle verantwortlich ist und meist durch tachykarde Herzrhythmusstörungen verursacht wird. Sporadisch auftretende Herzrhythmusstörungen mit EKG-Veränderungen lassen sich bei jedem vierten Erwachsenen nachweisen. Der frühzeitigen Identifizierung von Risikopatienten kommt daher in der kardiologischen Klinik und Praxis eine besondere Bedeutung zu.
Diagnostische Herausforderung: Herzrhythmusstörungen
„Gerade die kurzen Herzrhythmusstörungen, die schwer erfassbar sind, weil sie häufig immer dann auftreten, wenn der Patient sich nicht in der Nähe einer Klinik oder Arztpraxis befindet und kein EKG zur Verfügung steht, stellen eine echte diagnostische Herausforderung dar“, erläutert Professor Dr. med. Gert Baumann, Direktor der medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Kardiologie, Pulmologie, Angiologie der Berliner Universitätsklinik Charité. Zudem werden Herzrhythmusstörungen – gleich welcher Genese – vom Patienten häufig als sehr bedrohlich empfunden. Die Folge: Alarmierung des Notarztwagens oder Selbsteinweisung in die Klinik – beides verbunden mit hohen Ausgaben für die Kostenträger.
Mit der Tele-ECG-Card Vitaphone 100 IR, die einfach auf die Brust gedrückt wird, zeichnet der Patient im Alltag per Knopfdruck ein EKG auf, wenn er das Gefühl hat, dass sein Herz aus dem Takt gerät, zu schnell oder unregelmäßig schlägt. Bis zu drei EKGs kann er auf der Card, die etwa die Größe einer Kreditkarte hat, speichern.
Nach der EKG-Aufzeichnung überträgt er die Daten mittels Telefon an das Klinikum in Wolfsburg. Die Aufbereitung der telefonisch übermittelten EKG-Daten erfolgt durch das Vitaphone Tele-EKGSystem REMOS, eine Serverlösung, die entweder in einem Telemedizinischen Service Center oder als eigenständige Lösung in einer Klinik bzw. großen Praxis steht. Alle empfangenen EKGs werden automatisch in einer Datenbank gespeichert und unmittelbar nach dem Empfang mittels Telefax oder als PDF-Datei im Anhang einer automatisch generierten E-Mail weitergeleitet. So ist sichergestellt, dass den behandelnden Ärzten das EKG unmittelbar nach Abschluss der Datenübertragung zur Verfügung steht.
Im Klinikum Wolfsburg wertet das Team der Intensivstation die eingehenden EGKs aus. So ist eine qualifizierte EKGBefundung rund um die Uhr sichergestellt. Ist das EKG unauffällig, passiert nichts, zeigen sich Abweichungen von der normalen Herzfrequenz, rufen die diensthabenden Ärzte den Patienten an und geben konkrete Verhaltenshinweise. Diese reichen – je nach Befund – von einem beruhigenden Gespräch bis hin zur Alarmierung des Notarztwagens.
Patienten bleiben mobil
Professor Dr. Rolf Engberding, Chefarzt der I. Medizinischen Klinik des Klinikums der Stadt Wolfsburg: „Wichtig für den Patienten ist, dass er sich gut betreut fühlt. Allein das Bewusstsein jederzeit ein EKG aufzeichnen und an uns senden zu können, vermindert die Angst vieler Patienten, die häufig als Folge von Herzerkrankungen mit Herzrhythmusstörungen auftritt, deutlich. Wir gewinnen wichtige Daten für Diagnostik und Therapie, unsere Patienten gewinnen Lebensqualität, bleiben mobil und müssen nicht stationär aufgenommen werden.“
Dies bestätigt auch Günther Litzenberg, Patient der Kardiologen des Klinikums: „Gerade zu Zeiten, wo Ärzte in der Regel nicht zu erreichen sind, beispielsweise nachts und an Wochenenden, gibt mir die Tele-ECG-Card Vitaphone 100 IR das gute Gefühl von Sicherheit. Sie ist kinderleicht zu bedienen und ich habe sie immer dabei. Mit jedem Telefon kann ich meine Daten von jedem Ort aus ins Klinikum übertragen.“
System ist technisch ausgereift
„Das System ist technisch ausgereift, einfach zu handhaben und die EKGs sind von hoher Qualität. Wir haben positive Erfahrungen mit der Übertragung und Auswertung von weit über tausend EKGs. In vielen Fällen erwiesen sich die subjektiv als bedrohlich empfundenen Herzrhythmusstörungen als harmlos. Der Patient konnte daheim bleiben und musste nicht stationär aufgenommen werden. Ohne Tele- EKG wäre es zwangsläufig zum Einsatz des Notarztwagens und der Aufnahme auf die Intensivstation zur Beobachtung gekommen. Die EKG-Monitoring-Card ist ein echter Meilenstein in der kardiologischen Diagnostik, da uns diese Technik des Telemonitorings sonst nicht zur Verfügung steht“, erläutert Dr. med. Birgit Gerecke, Leitende Oberärztin der I. Medizinischen Klinik am Klinikum Wolfsburg.
Tele-EKG-Monitoring kann Leben retten
Durchschnittlich drei Monate verbleibt die Tele-ECG-Card beim Patienten. In der Regel werden in dieser Zeit zwischen vier und sechs EKGs übertragen. Die vom Klinikum Wolfsburg behandelten Herzpatienten werden von den niedergelassenen Kardiologen zur telemedizinischen Diagnostik überwiesen. „Wir sind mit dem Modell sehr zufrieden“, stellt Dr. med. Murat Nar fest, „können wir unseren Patienten doch ohne Aufwand einen Extra- Service bieten. Der Kardiologe: „Viele Patienten leiden unter Vorhofflimmern. Ist der Herzrhythmus normalisiert, werden sie mit Marcumar® zur Verringerung der Gerinnungsfähigkeit des Blutes und damit zur Thromboseprophylaxe behandelt. Bei bestimmten Patienten ist das nicht möglich. Tritt erneut Vorhofflimmern auf, so können sich in einem Zeitfenster von 24 bis 48 Stunden Blutgerinnsel im Herzen bilden. Geraten diese über den Blutstrom ins Gehirn, lösen sie einen Schlaganfall aus. Das Tele-EKG-Monitoring kann hier lebensrettend sein, erkennen wir doch frühzeitig ein erneutes Auftreten des Vorhofflimmerns. Auch Patienten mit ventrikulären Extrasystolen lassen sich im Hinblick auf die Fragestellung nach der Implantation eines Herzschrittmachers oder Defibrillators sehr gut diagnostizieren. Die unnötige und damit für die Krankenkassen teure Implantation kann so unter Umständen durch die telemedizinische Diagnostik vermieden werden“.
Hohe diagnostische Sensitivität
Die positiven Erfahrungen am Klinikum in Wolfsburg bestätigt auch Professor Dr. med. Gert Baumann, Direktor der medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Kardiologie, Pulmologie, Angiologie der Berliner Universitätsklinik Charité: „Durch den Einsatz der Tele-ECG-Card können wir innerhalb von sieben Tagen bei über 85 Prozent der Patienten die Ursachen ihrer symptomatischen Herzrhythmusstörungen ermitteln“. Mit herkömmlichen Mitteln, wie beispielsweise dem Langzeit- EKG, erreiche man eine Trefferquote von deutlich weniger als 50 Prozent bei der Diagnostik von Herzrhythmusstörungen.
Gerade bei der kardiologischen Funktionsdiagnostik trägt daher die Tele-ECGCard Vitaphone 100 IR erheblich zur Verringerung der Kosten im stationären Bereich bei, denn Herz-Patienten können dank des Telemonitorings nach Abschluss der kardiologischen Diagnostik aus der Klinik entlassen und müssen nicht bis zum erneuten Auftreten von Rhythmusstörungen hospitalisiert werden. Zudem erlaubt die Card ein effizientes Patienten-Monitoring, beispielsweise bei kardiologischen Patienten, die nach ihrer Entlassung weiter klinisch überwacht und betreut werden müssen. Aber auch der niedergelassene Kardiologe profitiert vom Einsatz des telemedizinischen EKGMonitorings, gewinnt er doch schnell zuverlässige Daten zur Diagnostik bzw. zur Steuerung seiner Therapie bei Patienten mit Herzrhythmusstörungen. Zudem trägt der Einsatz der Tele-ECG-Card zu einer effizienteren Nutzung personeller und zeitlicher Ressourcen in der Praxis bei.
EKG-Monitoring reduziert Kosten
„Aufgrund unserer Studien wissen wir, dass Patienten mit Telemonitoring deutlich seltener die Arztpraxis aufsuchen. Zudem reduziert sich die Zahl der Selbsteinweisung in die Klinik aufgrund von als bedrohlich empfundenen Herzrhythmusstörungen deutlich. Telemonitoring verringert daher die Kosten bei gleichzeitig verbesserter Diagnostik und Therapie. Grund genug für die Deutsche BKK dieses erfolgreiche Verfahren nun in den kommenden Monaten in weiteren Regionen anzubieten. Dafür suchen wir noch engagierte und leistungsfähige Partner in Klinik und Praxis“, fasst Dr. med. Thorsten Heberlein, Abt. Controlling und Versorgungsmanagement der Deutschen BKK, die Ergebnisse und Konsequenzen der Wolfsburger Erfahrungen zusammen.
Dokumentinformationen zum Volltext-Download Titel:
| Telemedizinische Diagnostik von Herzrhythmusstörungen | Artikel ist erschienen in:
| Telemedizinführer Deutschland, Ausgabe 2009
| Kontakt/Autor(en): | Benjamin Homberg Medizin-Service – Institut für strategisches Marketing & Kommunikation im Gesundheitswesen Karl-Straube-Straße 56 46483 Wesel Tel.: +49 (0) 2 81 / 96 30 14 Fax: +49 (0) 2 81 / 96 30 15
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